Neulich beim Kinderarzt – oh halt warte. Bitte entschuldige, dass ich schon wieder mit einem Beispiel aus meinem Mama-Leben starte. Doch meine Tochter ist aktuell mein größter Spiegel und meine größte Lehrerin. Durch sie darf ich so viele Dinge neu hinterfragen und neu ordnen. Daher teile ich meine Learnings und Erfahrungen sehr gerne mit dir.
Also neulich beim Kinderarzt. Routineuntersuchung um den vierten Lebensmonat rum. Die Kinderärztin betritt das Behandlungszimmer und meine Tochter beginnt zu weinen. Ich tröste sie liebevoll und eng an mich gekuschelt. Doch sobald die Kinderärztin sich nähert, beginnt das Schluchzen von Neuem. Ich kenne das schon von ihr, denn sie hat aktuell eine Phase, in der sie etwas „fremdelt“. Fremde Menschen mit Abstand und auf Mamas sicherem Arm zu betrachten ist in Ordnung, doch sie dürfen nicht zu schnell oder zu nah kommen.
Die Kinderärztin schaut sie fragend und mit einer zuckersüßen hohen Stimme an: „Oh, du kennst wohl Menschen mit Maske noch nicht so gut?!“
Ich höre diesen Satz. Ich kann ihn genauso wiedergeben. Doch weißt du, was ich verstanden habe?
Das:
„Deine Mama geht wohl nicht so oft raus mit dir und daher bist du an Menschen mit Maske nicht gewöhnt.“
Ich fühle mich angegriffen. Mein Gehirn macht aus einer belanglosen Vermutung (ohne Hintergedanken) der Kinderärztin eine fingierte Unterstellung, ich würde mit meinem Kind nie die Wohnung verlassen.
Schließlich gehe ich mit meiner Tochter jeden Tag spazieren, nehme sie zum Einkaufen mit und mache Ausflüge mit Freunden.
Natürlich kennt meine Tochter Menschen mit Maske.
Ich rechtfertige mich innerlich.
Lustig oder? Und ein tolles Beispiel für die verschiedenen Ebenen der Kommunikation.
Kurzer Hinweis: Kommunikation mit all ihren Metaebenen ist ein sehr sehr breites Feld… heute möchte ich mich auf die zwischenmenschliche verbale Kommunikation konzentrieren, wie sie alltäglich in unseren sozialen Beziehungen vorkommt.
Zurück zu unserem Beispiel:
Die Kinderärztin hat auf der Sachebene „gesendet“ und ich habe auf der Appellebene „empfangen“.
Von welchen Ebenen spreche ich?
Von den vier Ebenen oder auch genannt die vier Ohren der Kommunikation.
Dieses Modell zur Kommunikation hat Friedemann Schulz von Thun aufgestellt. Damit lässt sich wunderbar erklären, wie eine Nachricht zur selben Zeit unterschiedliche Botschaften des Senders übermittelt und dadurch verschiedene Interpretationen beim Empfänger entstehen.
Wenn ich als Mensch etwas von mir gebe, dann bin ich auf vierfache Weise wirksam – ob ich will oder nicht.
Dabei erleichtert dieses Modell das Verstehen, warum tagtäglich so viele Missverständnisse entstehen (und ich mich von einer simplen Aussage unserer Kinderärztin angegriffen gefühlt habe).
Du kennst das bestimmt auch aus deinem Alltag. Bestimmt fällt dir die eine oder andere Situation aus deinem Berufs- oder Familienleben ein, in der sich dein Gegenüber total angegriffen gefühlt hat, obwohl du eine normale Feststellung formuliert hast. Vielleicht hast aber auch du etwas in eine Aussage hineininterpretiert, die von deinem Gegenüber ganz anders gemeint war.
Das Vier-Ohren-Modell.
- Sachebene
Auf der Sachebene vermittelt der Sender Daten, Fakten und Sachverhalte. Aufgaben des Senders sind Klarheit und Verständlichkeit des Ausdrucks. Mit dem „Sach-Ohr“ prüft der Empfänger die Nachricht mit den Kriterien der Wahrheit (wahr/unwahr), der Relevanz (von Belang/belanglos) und der Hinlänglichkeit (ausreichend/ergänzungsbedürftig).
- Selbstoffenbarungsebene
Diese Ebene widmet sich dem, was der Sender von sich preisgibt, denn mit jeder Nachricht verrät der Sender unbewusst etwas Persönliches (z.B. Gefühle oder Gedanken) über sich.
- Beziehungsebene
Auf der Beziehungsebene kommt zum Ausdruck, wie der Sender und der Empfänger sich zueinander verhalten und wie sie sich einschätzen. Der Sender kann – durch die Art der Formulierung, seine Körpersprache, Tonfall und anderes – Wertschätzung, Respekt, Wohlwollen, Gleichgültigkeit, Verachtung in Bezug auf den Anderen zeigen. Abhängig davon, was der Empfänger im „Beziehungs-Ohr“ wahrnimmt, fühlt er sich entweder akzeptiert oder herabgesetzt, respektiert oder bevormundet.
- Appellebene
Wer sich äußert, will in der Regel auch etwas bewirken. Mit dem Appell will der Sender den Empfänger veranlassen, etwas zu tun oder zu unterlassen. Absicht und Interpretation sind in der Realität häufig nicht deckungsgleich.
Um Kommunikation zu beschreiben, die durch Missverständigung auf den verschiedenen Ebenen gestört wird, beschreibt Schulz von Thun als Beispiel die folgende Situation: Ein Mann und eine Frau sitzen beim Abendessen. Der Mann sieht Kapern in der Soße und fragt: „Was ist das Grüne in der Soße?“
Er meint damit auf den verschiedenen Ebenen:
Sachebene: | Da ist etwas Grünes. |
Selbstoffenbarung: | Ich weiß nicht, was es ist. |
Beziehung: | Du wirst es wissen. |
Appell: | Sag mir, was es ist! |
Die Frau versteht den Mann auf den verschiedenen Ebenen folgendermaßen:
Sachebene: | Da ist etwas Grünes. |
Selbstoffenbarung: | Mir schmeckt das Essen nicht. |
Beziehung: | Du bist eine miserable Köchin! |
Appell: | Lass das nächste Mal das Grüne weg! |
Die Frau antwortet gereizt: „Mein Gott, wenn es dir hier nicht schmeckt, kannst du ja woanders essen gehen!“
Wie können wir also so kommunizieren, dass mein Gegenüber meine Nachricht auch so versteht, wie ich sie meine?
Denn offensichtlich gibt es ziemlich viel Spielraum zwischen dem Gesagten und dem Aufgefassten.
Alleine das Wissen um diese Ebenen wird dir helfen, bei deinem nächsten Dialog etwas objektiver und gelassener zu sein und eventuell das Gesagte auf diesen vier Ebenen zu reflektieren.
Eine weitere Hilfestellung gibt ein Kommunikationsstandard aus dem Crew Resource Management der Notfallmedizin. Denn dort wird alles, was (über Funk) kommuniziert wird, vom Empfänger wiederholt, um sicherzugehen, dass die richtigen Informationen angekommen sind.
Das nennt sich Closed Loop Communication.
Das lässt sich wunderbar in den Berufs- oder Familienalltag übertragen.
Wenn du in einen Dialog oder gar eine Diskussion gerätst und nicht sicher bist, ob du etwas richtig verstanden hast, dann wiederhole einfach das was du empfangen hast (in deinen eigenen Worten). Damit reflektierst du das Aufgenommene und gibst deinem Gegenüber die Möglichkeit, etwas umzuformulieren, wenn etwas unklar ist.
Zum Beispiel mit: „Habe ich das richtig verstanden, dass…?“ oder „Möchtest du mir … sagen?“
Ich freue mich auf deine Erfahrungsberichte mit den vier Ohren :-).
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Dieser Newsletter wurde von Sabrina Höflinger verfasst.
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