Methoden der Achtsamkeitsschulung zur gezielten Persönlichkeitsschulung gehen auf mehrere tausend Jahre zurückliegende spirituelle Traditionen zurück. Seit Ende der siebziger Jahre haben sich einige davon einen Namen in der heute praktizierten Verhaltensmedizin machen können und finden vor allem Verwendung auf Basis von Stressbewältigungsprogrammen sowie bei der Behandlung von stressbedingten Krankheitsbildern, wie beispielsweise Depression und/oder Burnout.
Aber wie genau kommt es zu einem solchen Krankheitsbild? Worin liegt der Zusammenhang zwischen Stress und Krankheit?
Stress ist ein komplexes Konstrukt, welches auf verschiedenen Ebenen stattfindet und ebenso unterschiedliche Ursachen zur Folge haben kann.
Der Begriff Stress leitet sich vom lateinischen „stringere“ (zusammenschnüren) ab und spielt damit gleichermaßen auf körperliche Symptome in Notsituationen an. Man stelle sich vor beim Übertreten einer vierspurigen Fahrbahn weicht man gerade so noch einem vorbeifahrenden Auto aus – das schafft einen gewissen Stresspegel, der uns evolutionär vor zwei Entscheidungen stellt: Fight or Flight. Zu Deutsch: Angriff oder Rückzug. In unserem Beispiel wird es sehr wahrscheinlich der Rückzug, das Ausweichen sein, das unser Überleben sicherstellt. Das Herzklopfen nimmt langsam ab, unser Stresspegel sinkt – im Optimalfall.
Wie sieht es im Körper aus, wenn der Stress sich nicht mehr aus eigener Kraft heraus regeln lässt? Wenn wir uns in einer Art „Dauer-Stress-Zustand“ befinden?
Der allgemeine Sprachgebrauch lässt den Begriff „Stress“ zu einer Art Sammelbegriff für belastende Umstände werden. Es ist daher meist schwer nachzuvollziehen, ob Stress als Ursache von einer belastenden Situation, oder als Reaktion auf eine solche zu verstehen ist. Hans Selye, Vater der Stressforschung, entschied sich dafür, Stress als Wirkung zu definieren. Er gilt als einer der ersten Forscher, der sich mit den Auswirkungen von anhaltendem Stress auf den Körper befasste. Seiner Stresstheorie zufolge sind viele Stressoren dazu in der Lage dieselbe Reaktion, zumindest aber allgemeine, körperliche Reaktionen auszulösen.
Unter Stressoren versteht man belastende Reize, die sich in chemischen, physikalischen (z.B. Schlafmangel), psychischen (z.B. generelle Ängste), sowie sozialen Inhalten (z.B. Mobbing) unterscheiden. Stressoren können sowohl innere Ereignisse, wie beispielsweise Gedanken oder Emotionen, aber auch äußere Gegebenheiten, wie zum Beispiel starkes Schwitzen, verkörpern. Trifft ein solcher Reiz beispielsweise in Form von Lärm (physikalisch), Leistungsüberforderung (psychisch), Konflikten (sozial) auf den Organismus, dann wird dieser je nach Verfassung unterschiedlich wahrgenommen und entsprechend als Herausforderung (Eustress) oder Überforderung (Disstress) eingeordnet.
Die eigene körperliche, sowie geistige Verfassung entscheidet also darüber, wie wir mit Stress umgehen und was ein sogenannter Stressor mit uns und unserer Gesundheit macht. Und was hat all das nun mit Achtsamkeit zu tun?
Achtsamkeit trainiert unsere Fähigkeit zur Beobachtung und schafft dabei eine Balance zwischen Gefühl und Verstand.
„Was stresst mich“ fragt der Verstand. Und weiterhin: „Wie möchte ich diese Situation bewerten? Welche Erfahrungen bringe ich damit in Verbindung? Welches Gefühl wird mir von der Gesellschaft vorgegeben?“ (Beispielsweise das Trauern auf einer Beerdigung eines entfernten Verwandten, über den man streng genommen gar nichts weiss).
Und hier kommt die Achtsamkeit ins Spiel. Durch das aktive Wahrnehmen der eigenen Gedanken, das Wissen darüber, dass diese nicht immer fehlerlos und eindeutig sind sowie der Einsicht, der Erfahrung, dass Gedanken vielmehr einen Bewusstseinsvorgang, als die tatsächliche Realität darstellen ist der erste Schritt zur Akzeptanz getan. Die Aufmerksamkeit wird auf die aktuell gelebte Situation gelenkt und sie kann so akzeptiert werden, wie sie ist. Die Belastung des Tun-und-Verändern-müssens im Alltag wird gemildert, der Stress nimmt ab.
Und das alles nur durch die Neubewertung einer Situation?
Nicht ganz. Achtsamkeit ist ein langer Prozess, der konstantes Üben und professionelle Anleitung voraussetzt. Es gibt verschiedene Wege Achtsamkeit zu schulen: Yoga und Meditation sind dabei wohl die bekanntesten Vertreter. Alle haben sie eines gemeinsam: Das Gedankenkarussel zu stoppen und immer wiederkehrende Verhaltensmuster, Reaktionen auf Stress, aufzubrechen, sodass neue Verhaltensmuster anstelle der alten gelernt und gelebt werden können.